August Kengelbacher (1894-1971)

Fritz-August-Karl und Emil der Eltern Fritz Kengelbacher-Müller, St.Gallen-Bruggen.

Schulbildung: 6 Jahre Primarschule, 2 Jahre Realschule in St.Gallen
Berufsbildung: 3 Jahre Lehre als Maschinenschlosser in Arbon, anschliessend je 1 Jahr als Monteur auf Lastwagen und Stickmaschinenbau. Von 1914 bis 17 als Strickmaschinen-Monteur tätig bei Edouard Dubied & Co. Couvet. Von dieser Firma zum vollwertigen Stricker-Monteur für Auslandmontagen und Demonstrationen ausgebildet.

1917-1921:
Für Dubied wurde ich denn auch im November 1917 für erste 3 Jahre nach China und Japan verpflichtet. Die Abfahrt erfolgte am 18. November von Marseille mit dem französischen Passagierdampfer - Portos mit 22000 Tonnen, einem respektablen, schönen Koloss. Infolge der akuten Unterseebootgefahr ging die Fahrt auf täuschenden Irrwegen und immer im Zickzackkurs zuerst nach Algier entlang der afrikanischen Küste, dann hinüber fast bis Griechenland und dann direkt nach Port Said, nachts ohne jede Beleuchtung. Wir erreichten Port Said nach 9 anstatt nach 3 Tagen, Gott sei dank ohne Zwischenfall. Es war eine unheimliche Überquerung des sonst friedlichen Mittelmeeres. Schon nach 6 Stunden Aufenthalt ging die Reise weiter, durch den Suez-Kanal, durch das 3 Tage lange Rote Meer und hinaus in den uferlosen indischen Ozean. Dieser wurde in 7 Tagen durchquert, ruhig und normal, d.h. jetzt ohne U-Boote befürchten zu müssen. In Colombo machte der Dampfer einen Aufenthalt von 12 Stunden um den Kohlevorrat nachzufüllen und Wasser zu fassen und schon gings weiter nach Singapore, Saigon, Hongkong bis zu meinem Endziel Shanghai, welches nach 28 Tagen ab Marseille erreicht wurde.

Shanghai / Japan: In Shanghai befasste ich mich sofort und intensiv mit der englischen Sprache. Dank meiner Deutsch und Französisch Kenntnisse war Englisch für mich kein schweres Problem. Andererseits, infolge sehr komplizierten Sprachverhältnissen unter der chinesischen Bevölkerung und meiner Abneigung gegen einen Daueraufenhalt in China, unterliess ich jeden Versuch Chinesisch zu erlernen. Nach ca. 2 Jahren ging meine Tätigkeit in Shanghai zu Ende, was keine Tränen verursachte. Weitere Arbeit gab es fuer mich in Japan, sodass ich nach Tokyo übersiedeln musste. Hier bot sich mir die Gelegenheit die japanische Umgangssprache zu erlernen, was sich lohnt, denn Japan kennt nur wenige, unwichtige Sprachunterschiede. Dies im Gegensatz zu China mit seinem Chaos von über 300 Dialekten. Während mich China nicht begeistern konnte, gefiel es mir in Japan gut, einzig die vielen Erdbeben würde man gerne entbehren. Allmählich durfte ich an die erste Rückkehr nach Europa denken. Nachdem ein neuer Monteur aus Couvet meinen Posten antreten musste, war es im Mai 1921 so weit. Trotzdem ich Japan liebte, zog es mich nach Ablauf der Vertragsdauer in die Heimat zurück.

Rückkehr: Abwechslungshalber wählte ich die Rückreise über Hawaii, San Francisco, d.h. 14 Tage per Schiff. Per Bahn durch Amerika von San Francisco über Chicago nach New York in 5 Tagen. Anschliessend mit dem italienischen Dampfer Conte Verdi von New York über Gibraltar, Neapel nach Genua in 7 Tagen. Von hier infolge Eisenbahnstreik, per Bus nach Mailand-Chiasso. Im Schnellzug Chiasso-Lugano-Zürich erlebte ich die freudige Begegnung mit dem mir gut bekannten wie sehr beliebten Dorfkaplan Hw. H. Hutter von Bruggen. In Zürich erwartete mich ein herzliches Wiedersehen mit Vater und Mutter, sowie den Brüdern Fritz, Karl und Emil. Erst jetzt fühlte ich mich wieder so richtig auf heimatlichem Boden. Es war meine Absicht in Europa zu bleiben, aber es sollte anders kommen. Nach einigen Ferienwochen musste ich mich schliesslich auf die Zukunft besinnen. In Anbetracht der damals in ganz Europa herrschenden Wirtschaftskrise machte mir das Arbeitsklima in der Schweiz einen betrüblichen Eindruck. Mit jedem Tag wurde ich mir mehr und mehr bewusst, dass ich nicht mehr so recht in dieses Europa hinein passte. Vater und die drei Brüder waren nur teilweise beschäftigt, von einer vielversprechenden Zukunft nicht zu reden. Alle 3 Brüder waren denn auch für eine Auswanderung eingenommen. Die Finanzierung der Reisen war für mich kein Problem. Karl entschloss sich für Shanghai, Emil für New York und Fritz 1 Jahr später ebenfalls für Shanghai. Der Entscheid, mein Glück erneut in Asien zu versuchen fiel mir nicht mehr schwer. An guten Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten fehlte es schon gar nicht. So kam es denn, dass ich mich erneut für Japan verpflichtete, allerdings nicht mehr als Monteur, sondern als Reisevertreter für verschiedene Schweizer Unternehmen, einschliesslich Dubied, Saurer, Bühler etc. Für Vater und Mutter war es natürlich unheimlich leer an der Distelistrasse, speziell als ich im November 1921 als letzter die Abreise antereten musste.

1921-1946:
Über Genua Indien Japan in Tokyo zurück, erwartete mich Arbeit in Hülle und Fülle. Am 1.September 1923 musste ich das furchtbare Erdbeben mitten in Tokyo erleben, bei dem über 143000 Menschen, einschliesslich 12 meiner nächsten Schweizer Freunde den allzufrühen Tod fanden. Dabei wurden die Grossstädte Tokyo und Jokohama fast vollständig zerstört. Der längst fällige Urlaub konnte erst 1931 erfolgen. Diesmal machte ich die Rückreise per Bahn über Korea China Russland Polen Deutschland, d.h. von Tokyo über Moskau nach Berlin in genau 14 Tagen! Während dieses Aufenthaltes in der Schweiz verpflichtete ich mich in Zukunft fast ausschliesslich für Saurer Arbon zu wirken. Trotz schwerer Konkurrenz konnten zahlreiche Stickmaschienen, Lastwagen, Omnibusse, Werkzeugmaschienen und Dieselmotore verkauft werden, was fü Arbon damals sehr willkommene Arbeit bedeutete. Als eigentliche Krönung meiner Ostasien Tätigkeit für Saurer kam der Abschluss eines Lizenzvertrags mit Japan für die Fabrikation des Saurer Dieselmotors im Jahre 1936 im Betrag von 1'000'000 Franken in bar. Mit 3 japanischen Ingenieuren reiste ich 1937 wiederum über Moskau Berlin per Bahn in die Schweiz zurück. Die Japaner hatten sich mit einem mehrmonatigen Studium des Dieselmotors und dessen Fabrikation zu befassen. Nach meinem Urlaub 1937/38 fand ich in Bezug auf weitere Geschäftsmöglichkeiten in Japan betrübende Verhältnisse vor. Japan hatte auf Kriegsrüstung umgestellt. Es wurde nur noch für diesen Zweck unbedingt notwendige Erzeugnisse importiert, bzw. zugelassen. Dies schränkte meine Tätigkeit stark ein. Mit dem Kriegsausbruch zwischen Japan und Amerika im Dezember 1941 wurde jede weitere Geschäftstätigkeit unmöglich. Ich fand aber sofort willkommene Arbeitsgelegenheit als Mitarbeiter der Schweizerischen Gesandtschaft in Tokyo. Neben internen Arbeiten erhielt ich die Pflege des Wagenparks zugeteilt und 3 Mal wurde ich als Diplomatic Courrier nach Shanghai Hongkong Anton Bangkok geschickt, nachdem ein erster, verheirateter Courrier spurlos verschwunden war! Nach Kriegsende zog es mich begreiflicherweise in die Heimat zurück. Auf einem englischen Frachtschiff erreichte ich über Singapur Bombay Gibraltar den englischen Hafen Portsmouth um schliesslich über London Paris Basel Ende Mai 1946 in der Heimat Fuss zu fassen und, wie es sich herausstellte, endgültig zu verbleiben. Es kam 1947 zur Heirat mit Frl. Berthy Wild, meiner heutigen Gattin. Ich hatte diesen Entschluss Gott sei Dank nie zu bereuen!

1947-1967:
Nach vielen Jahren selbstständiger Tätigkeit im Ausland kam für mich eine Rückkehr in dieses oder jenes Unternehmen nicht mehr in Frage. Ich übernahm vorerst die Vertretung einer Ölfirma für die Kantone St.Gallen, Graubünden und Appenzell, welche ich heute noch betreue. Es waren mir aber auf diesem Gebiet Grenzen gesetzt, sodass ich mich nach bestandener Fachprüfung nebenbei noch als Autofahrlehrer betätigte. Die Zukunftsaussichten waren für die Fahrschule derart günstig, dass der Erfolg nicht auf sich warten lies. Leider machte sich ab dem 60. Altersjahr eine langsam fortschreitende Linkslähmung bemerkbar, welche mein Gehvermögen zunehmend behinderte. Mitte September 1967 erlitt ich einen ersten Links-Streifschlag von dem ich mich aber binnen weniger Tage wieder ordentlich erholte. Es war jedoch eine Warnung die mich veranlasste, die Arbeit bald möglichst aufzugeben. Ende Oktober konnte ich die beruflichen Verpflichtungen abschliessen und in den Ruhestand eintreten. Damit dürfte mein abwechslungsreicher Lebenslauf zur Hauptsache geschildert sein. In all diesen Jahren war ich spürbar vom Glück begleitet und speziellen Dank gebührt meinem Schutzengel, welcher mich auf der Erde, auf dem Meer und in der Luft durch viele gefahrvolle Stürme, Wasserkatastrophen, Erdbeben und Kriege stets heil hindurch gesteuert hat.